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Das Abenteuer

 

Petra Staguhns Keramik beruht im Grunde auf einer einzigen Idee: Porzellan und Ton, diese verwandten und doch gegensätzlichen Erdgeschwister, zueinander zu bringen. Das hat seine Tücken. Denn beide Keramiken wollen von sich aus unter sich bleiben, sie passen allein schon wegen ihrer unterschiedlichen Schwindungsgrade beim Brand nicht so recht zusammen. Sie sind einander in ihrem Wesen zwar ähnlich, aber nicht gleich.

 

Im Brand, zuweilen auch schon während der ersten Trocknungsphase, tritt dieses Spannungsverhältnis zwischen Porzellan und Ton deutlich zutage: Wo beide Materialien aneinander stoßen, kommt es zu Abstoßungen, zu Rissen und Brüchen. Für die Arbeit bedeutet das: Selbst bei größter Sorgfalt gibt es viel Ausschuss zu beklagen. Der Arbeitsprozess ist eine ständige Gratwanderung, die im Brand buchstäblich zur Gradwanderung wird.

 

Umso größer die Freude über jene Stücke, die die Spannungen ausgehalten haben. Auf geheimnisvolle Weise spiegeln sie nun diese „ausgehaltene Spannung“ als Aura wider: eine gespannte Harmonie, ein zur Ruhe gekommener Gegensatz, eine Synthese im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Doch das ist nur das Eine. Das Andere sind die Strukturen, in denen Porzellan und Ton zueinander gefunden haben. Die Assoziation „Versteinerung“ drängt sich einem sofort auf.

 

Das sind Petrefakte in Vasenform. Kein Dekor, also nichts Oberflächiges, ist zu betrachten, sondern reine, durchgehende Struktur auf dem Scherben, vergleichbar mit der Maserung von Holz, von versteinertem Holz um genau zu sein. Der Zufall selbst hat sie aus der Vermischung und Durchdringung beider Materialien geschaffen.

 

Die Vasen und Schalen scheinen der Erde selbst entnommen zu sein, jenen Sedimenten, in denen sich Pflanzen, Schnecken, Muscheln und andere Mollusken als Abdruck verewigt haben, mehr noch: in denen Erdgeschichte zu Stein geworden ist. Nur, und das ist das Bezaubernde an dieser Keramik, es fehlt alles Erdschwere und Dunkle. Die Stücke sind licht und leicht, ja geradezu sphärisch, und das liegt nicht nur daran, dass sie waghalsig dünn gearbeitet sind. Neben die erstarrte Spannung im Material tritt so eine ästhetische Spannung, die Auge und Hand nicht ruhen lässt. Man möchte diese Stücke beständig in die Hand nehmen, sie drehen und wenden, sie gleichsam mit den Händen betrachten - und mit den Augen befühlen.

 

Und schließlich entdeckt man, gewissermaßen als letztes Geschenk an den Betrachter, hingehauchte Farbanflüge von Kupfer und Gold, von silbrigem Rosa und moosigem Grün, wie man sie auch auf Schneckenhäusern und Muschelschalen findet. Hier sind sie aus dem Feuer selbst entstanden.

                                                                                            

                                                                                                 Gerhard Staguhn

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